Seit Anfang Juni 2008 herrscht größere Aufregung über die "Umstellung von Linux auf Windows um 8 Millionen Euro" in der Gemeinde Wien. Wir haben uns bemüht, aus den diversen Artikeln die Fakten zu extrahieren:
- Der Upgrade der PC-Arbeitsplätze von Windows 2000 auf Windows Vista oder Windows XP[cw] ist unabhängig von der Umstellung der Kindergarten-PCs. Das Budget von 7.6 Mio € für den Upgrade wurde bereits im Februar (ohne großes Medienecho) beschlossen.
- Der Upgrade soll bis 2010 erfolgen (dann laufen die Verträge für W2K aus). Was der Nachfolger von W2K wird, ist laut Siegi Lindenmayr noch "völlig offen"[cw], die Erwähnung von Windows Vista im Budgetantrag ist laut Gillich "durchgerutscht" [standard1].
- 2006 wurde geschätzt, dass von ca. 18000 PCs ca. 4800 auf Linux umgestellt werden könnten. Tatsächlich bereits umgestellt waren Ende 2005 ca. 250. [osw]
- Derzeit sind (inkl. der Kindergarten-PCs) ca. 1000 von 32000 [gruene] PCs (oder nur 20000 [presse]?) mit Linux ausgestattet. Das sind ca. 3 Prozent. Es ist nicht anzunehmen, dass die restlichen 97% bis 2010 alle auf Linux migriert werden (selbst wenn man annimmt, dass 27 % (4800/18000) nicht nur theoretisch umgestellt werden könnten, sondern tatsächlich umgestellt werden, bleiben immer noch 73% oder ca. 23000 PCs übrig, für die Windows-Lizenzen angeschafft werden müssen. Realistischerweise muss die MA 14 daher davon ausgehen, dass sie 2010 eine große Menge von Windows und Office-Lizenzen kaufen muss.
- Die 7,6 Mio € sind eine lineare Extrapolation der in STOSS [stoss] genannten Lizenzkosten.
An den kolportierten ca. 8 Millionen € für Windows-Lizenzen ist daher nichts überraschend oder markiert eine Trendwende. Da von Anfang an nur eine Umstellung einer Minderheit der Arbeitsplätze geplant war, war der Upgrade der Mehrzahl der Rechner auf die nächste Windows-Version früher oder später unausweichlich. Dass das Potential nicht annähernd ausgeschöpft werden konnte, und (nach Abzug der Kindergartenrechner) Ende 2008 ein geringerer Anteil von PCs unter Linux laufen wird als Ende 2005 ist allerdings traurig; eine gewisse Halbherzigkeit bei der Umsetzung wird sich die Gemeinde (und die MA 14 als ausführendes Organ) hier vorwerfen lassen müssen.
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In den Kindergärten gibt es (je nach Quelle) 720
bis 760 PCs für "administrative und pädagogische Zwecke". - Diese liefen bisher unter Linux, wobei ein Großteil der eingesetzten Software proprietäre Windows-Software war, die unter Wine lief. [fuzo2]
- Opensource-Software wurde kaum eingesetzt, obwohl teilweise vorhanden (siehe Juxlala).
- Für die Umstellung auf Dual-Boot (Wienux und Windows XP) sind 105.000 € budgetiert [fuzo1].
- Es gab Gerüchte, dass das von Microsoft mitentwickelte Programm "Schlaumäuse" den Ausschlag für die Umstellung gab. [informatik-forum] [fuzo3]
- Tatsächlich aber scheint es sich um das Programm "bi-Cube LC" zu handeln, das von der Rostocker Firma iSM entwickelt wurde. [fuzo3]
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Die Beschaffung dieses Programms wurde offenbar unter großem
Zeitdruck (1 Monat) und ohne klare Spezifikation
durchgeführt. Die Erkenntnis, dass die Software nicht unter Linux läuft, kam erst nach der Erteilung des Auftrags.
Diese Installation in den Kindergärten ist das, was die Grünen in ihrer Aussendung als "Vorzeigeinstallion" bezeichnet haben. Im ersten Absatz von [fuzo1] wurde diese mit den 8 Millionen in Zusammenhang gebracht. Das wurde zwar im Rest des Artikels aufgeklärt, aber der erste Eindruck blieb offenbar bei vielen hängen.
Bei der Softwarebeschaffung für die Kindergarten-PCs scheint da einiges schiefgelaufen zu sein. Nicht nur wird hier großteils Windows-Software unter Linux eingesetzt, was technisch nicht ideal ist, aber unter Umständen noch damit erklärt werden kann, dass die Software besser sei als entsprechende Linuxsoftware (Softwarequalität ist bekanntlich subjektiv), den Verantwortlichen scheint der Unterschied zwischen Linux und Windows nicht einmal bewusst zu sein - anders ist es wohl kaum zu erklären, dass im Auftrag die Zielplattform nicht erwähnt wurde.